Ich muss ja zugeben, dass ich kein großer Technik Freak bin und mich nur selten mit Elan und Tiefgang über die neuesten Kameras, Objektive, Blitze oder sonstwelche Gimmicks unterhalte. Ich weiß aber auch, dass viele Einsteiger im Food Fotografie- und Blogger-Business bei Themen wie Crop-Faktor, Normalbrennweite oder Schärfentiefe viele Fragezeichen in den Augen haben. Hier also ein kleiner aber feiner Ratgeber mit etwas Theorie und Wissen über Food Fotografie Objektive. Legen wir los!
Inhaltsverzeichnis
Die Theorie vor dem Kauf
Wir wollen uns nicht einfach blindlings ein Objektiv kaufen, ohne einen Schimmer zu haben, was Blende, Brennweite und Crop-Faktor überhaupt bedeutet, oder?
Denn all diese Dinge sind wichtige Basics für das grundsätzliche, fotografische Verständnis und helfen dir dabei eine Entscheidung mit Verstand zu treffen.
Die Blende
Um gar nicht erst in den Technik-Sprech zu verfallen – als Blende bezeichnet man die Öffnung im Objektiv, durch welche Licht auf den Kamerasensor fällt. Je größer dieses Loch ist, umso mehr Licht fällt auf den Sensor und je kleiner das Blendenloch ist, umso weniger Licht fällt auf den Sensor. Soweit logisch oder?
(Falls du mit Blende, Belichtungszeit und ISO noch etwas überfordert bist, dann hilft für einen ersten groben Überblick sicher das hier )
Blendenwerte werden in Brüchen angegeben und meistens als f/1.4, f/2.0, f/2.8, f/4, f/5,6, f/8 usw. geschrieben. In der Praxis spricht man auch gerne ganz schlicht von Blende 1.4, Blende 2.0, Blende 2.8, Blende 4, usw.
„Der Blendenwert beschreibt die Größe der Blendenöffnung
im Verhältnis zur Brennweite des Objektivs“
f/2 (oder auch 1/2) bedeutet also, dass die Blendenöffnung nur halb so groß ist, wie die Brennweite lang. Bei einem 50mm Objektiv bedeutet dies, dass der Durchmesser der Blende 25mm beträgt.
Das erklärt auch, warum Objektive mit langen Brennweiten und sehr offenen Blenden so dick (und teuer) sind. Die offene Blende vom Canon 85mm f/1.2 (was für ein Oschi) hat einen Durchmesser von über 7cm (85 mm / 1,2 = 70,8 mm)
Schärfentiefe vs Tiefenschärfe
Im Zusammenhang mit der Blende fällt häufig auch der Begriff „Schärfentiefe“ (Synonym / fälschlicherweise auch gerne Tiefenschärfe genannt).
Die Schärfentiefe ist der Bereich im Bild, welcher scharf abgebildet wird. Wie ausgeprägt scharf oder unscharf dein Bild ist, hängt davon ab, wie offen oder geschlossen du deine Blende wählst. Bei einer sehr offenen Blende wie f/1.4 oder f/2.8 ist die Schärfentiefe gering und du hast nur einen sehr kleinen Bereich, der scharf ist.
Die Schärfeebene breitet sich parallel zum Bildsensor aus. Das bedeutet, dass nicht nur die Blende für die Ausprägung der Schärfentiefe von Bedeutung ist, sondern auch die Perspektive aus welcher du dein Motiv fotografierst.
Die Brennweite
Bei der Brennweite unterscheiden wir zwischen drei verschiedenen Typen:
- Weitwinkel (alles unter 50mm)
Mit einem Weitwinkel kann man, wie der Name schon ahnen lässt, sehr große Bereiche in einem Bild einfangen. Es eignet sich daher sehr gut für Landschaftsaufnahmen, Innenaufnahmen oder Gruppenfotos. Man deckt, auch wenn man sich nah am Motiv befindet, immer noch einen sehr weiten Winkel ab. Ich nutze mein 35mm Weitwinkel daher gerne für Perspektiven von oben und größere Aufbauten.
- Normalbrennweite (50mm)
Die Normalbrennweite entspricht am ehesten unserem eigenen Seh-Empfinden (man könnte sagen, unsere Augen haben die Brennweite 50mm). Daher wird es äußerst gerne für Portrait-Aufnahmen verwendet. Ich nutze die 50mm auch sehr gerne auf Reisen und für dokumentarische Zwecke oder eben in der Food Fotografie. Mit der am natürlichsten wahrgenommenen Brennweite kann man da nicht viel falsch machen, oder?
- Teleobjektiv (alles über 50mm)
Wenn wir uns im Tele-Bereich befinden, sind wir sehr nah an unserem Motiv dran. Tier- und Sportfotografen greifen häufig auf Brennweiten von über 200mm zurück. Für die Food Fotografie würde ich nicht mehr als 100mm empfehlen. Es sei denn natürlich, euer Studio hat die Ausmaße einer Turnhalle und ihr habt gerne euren Freiraum und 10 – 15 Meter Abstand zum Motiv (jeder hat so seine Vorlieben – no judging). Grundsätzlich ist ein Teleobjektiv in der Foodfotografie aber eine tolle Sache, insbesondere, wenn man sich gerne im Nahbereich aufhält oder mit Unschärfen spielt.
Ich bin der Meinung alle drei Brennweiten-Bereiche eignen sich für die Food Fotografie (Spoiler: Ich habe Objektive aus allen drei Bereichen – was jedes so besonders macht, erkläre ich weiter unten ;)) Bevor wir uns aber den Objektiven widmen noch ein ganz wichtiges Thema:
Crop-Faktor
Bevor ihr euch auf Objektiv-Suche macht oder gar eines kauft, solltet ihr euch zumindest ansatzweise mit dem Crop-Faktor auseinandergesetzt haben.
Um dies besser zu verstehen hilft es sich Folgendes vorzustellen:
- jedes Objektiv erzeugt einen Bildkreis. Damit aus diesem Bildkreis ein rechteckiges Foto wird brauchen wir einen Sensor (oder Film). Die Diagonale dieses Sensors muss kleiner als der Durchmesser des Bildkreises sein ( denn sonst haben wir dunkle Ränder – was zum Beispiel passiert, wenn wir ein Objektiv für APS-C Sensoren an einer Vollformatkamera benutzen)
- Bei einer Kamera mit Crop-Faktor ist der Sensor kleiner, als bei einer Vollformat- / Kleinbildkamera:
Was bedeutet das nun konkret?
Beim Crop-Faktor wird gerne mal davon geredet, dass sich die ‚Brennweite verändert‘. Das ist so nicht ganz richtig, denn physikalisch ändert sich weder an eurem Objektiv noch an der Kamera etwas.
Was sich jedoch verändert ist die Wirkung. Der Blickwinkel ist ein Anderer.
Die Brennweite, die für Objektive angegeben wird bezieht sich auf das Kleinbildformat (Vollformat). Fotografiert ihr also mit einer Crop-Kamera, dann müsst ihr den Verlängerungsfaktor beachten. Bei den gängigen Kameras mit APS-C (C steht für Crop) Sensoren beträgt dieser Faktor dann zum Beispiel 1,5 (für Nikon), 1,6 (für Canon) oder sogar 2 (Micro-Four-Third Kameras). Um den Crop-Faktor für eure Kamera herauszufinden reicht meist ein schneller Check über Google.
Noch nicht genug? Mehr Informationen zum Crop-Faktor könnt ihr hier und hier lesen.
Welches ist das perfekte Food Fotografie Objektiv für mich?
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Es kommt drauf an!
Ich kenne weder dich noch deinen fotografischen Stil oder deine Ansprüche an ein neues Objektiv. Ich weiß nicht, welche Objektive du schon besitzt, oder wie hoch dein Budget für eine Neuanschaffung ist. Ich kann dir hier nur die Grundlagen für weitere Überlegungen mit auf den Weg geben – die Entscheidung triffst am Ende du.
Bist du am liebsten ganz nah dran am Essen und interessierst dich für Details und Makrofotografie? Dann könnte ein 100 oder auch 105mm* Makroobjektiv das Richtige für dich sein. Aber auch mit einer kürzeren Brennweite, wie dem 60mm Makro* kommt man nah an sein Motiv heran (und kann damit auch prima aus der Vogelperspektive arbeiten – OHNE Leiter)
Fotografierst du gerne aus der Vogelperspektive und baust auch gerne mal etwas größere Szenen auf? Wenn du dafür nicht in einen Altbau oder Kuppelsaal umziehen möchtest, würde ich zu einer etwas kürzeren Brennweite raten. Ich habe meine Sets ca. auf Wohnzimmertisch-Höhe stehen und arbeite in der Vogelperspektive sowohl mit 35mm als auch 50mm Brennweiten (auf einer Vollformat-Kamera), ohne dass ein Hocker oder eine Leiter notwendig ist.
Wenn du mit einer Crop-Kamera am Start bist und dein Setup sich eher auf Küchentisch-Höhe befindet, solltest du eher Richtung 24mm oder 35mm schielen (oder in eine stabile Leiter investieren 😉
Der Joghurtbecher
Mal Butter bei die Fische: Die große, bunte Welt der Objektive ist ganz toll und alles. Aber wenn die Kohle nicht stimmt, dann ist ein Blick darauf auch gerne mal etwas frustrierend und einschüchternd. Vielleicht hast du dir gerade erst ganz frisch deine erste Kamera gekauft und möchtest erstmal ausprobieren, ob die Food Fotografie überhaupt etwas für dich ist. Oder dein Studenten-Budget lässt eine Investition über 500, 800 vielleicht sogar 1000€ für ein bisschen ‚Glas‘ gerade einfach nicht zu. Verstehe ich alles – been there done that. Bevor du nun also Geld ausgibst, das du nicht hast oder noch nicht sicher bist ob es sich lohnt, verzweifel nicht!
Das Kit-Objektive schmu sind, da sind wir uns hoffentlich alle einig. Damit macht Food Fotografie keinen Spaß. Daher meine Empfehlung:
Investiere in ein günstiges, lichtstarkes 50mm Objektiv
Bei Canon* (dieses Objektiv wird auch gerne ‚der Joghurtbecher‘ genannt, weil es so leicht ist und aus so viel Plastik besteht) bist du mit guten 100€ dabei, das entsprechende Model von Nikon* ist für unter 150€ zu haben. Wenn du wirklich planst dich mit der Fotografie weiter auseinanderzusetzen (unabhängig ob es nun Food wird oder nicht), kannst du mit so einem Objektiv nichts verkehrt machen.
Der Unterschied zu dem Standard 18-55mm, das gerne im Kit mit einer Kamera verkauft wird ist enorm und du wirst garantiert sofort mehr Freude am Fotografieren haben.
Wenn dir das nicht ausreicht, dann lass mich dir meine persönliche Objektiv-Sammlung ans Herz legen. Die folgenden 3 Objektive wurden von mir über Jahre auf Herz und Nieren getestet und sind absolut empfehlenswert:
Meine Weitwinkel-Empfehlung: Sigma 35mm 1.4 Art
Besonders geeignet für 90°Grad Overhead Shots. Wenn du große, weite Aufbauten liebst und mit Stativ und Kamera nicht unter der Decke hängen möchtest, könnte das Sigma 35mm 1.4 Art* das Richtige für dich sein.
Ich arbeite unglaublich gerne mit diesem Objektiv. Die Schärfe und das Bokeh sind unglaublich, es eignet sich nicht nur für Top-Shots sondern kann auch im Nahbereich einiges.
Solltest du im Besitz einer Crop-Kamera sein, kommt das 35mm der Normalbrennweite sehr nahe.
Meine Normalobjektiv Empfehlung: Canon 50mm 1.4
Da haben wir sie, die Normalbrennweite. Fast 2 Jahre bin ich ohne das Canon 50mm 1.4* ausgekommen, nun möchte ich es aber nicht mehr missen. Immer wenn mit das 35mm etwas zu verzerrt oder ‚weit weg‘ ist, hat das 50mm seinen Auftritt und sorgt vor allem bei 45° Perspektiven aber auch in der Vogelperspektive für eine wunderschöne, natürliche Optik. Eben als würden wir es mit eigenen Augen sehen.
Meine Makro-Objektiv Empfehlung: Canon 100mm 2.8
Eines meiner ersten und (für damals) teuersten Objektive das ich um keinen Preis hergeben würde ist das Canon 100mm 2.8*. Nein, es braucht nicht die teurere L Variante sein, und wenn ihr euch auf die Food Fotografie konzentriert, dann braucht ihr auch keinen Bildstabilisator. Die Schärfe und Qualität dieser Linse ist einfach großartig.
Seit 2011 ist es in meinem Besitz und es gab immer mal Phasen, in denen ich es recht wenig nutzte, doch für das Spiel mit Schärfe und Unschärfe, Detail-Shots und generell alles, was etwas näher am Essen sein soll ist dieses Objektiv und die lange Brennweite von 100mm einfach optimal. Was mich früher, auch als ich noch keine Vollformat-Kamera besaß, häufig davon abhielt das 100mm zu benutzen war der große Abstand zum Motiv um dieses auch ganz ins Bild zu bekommen. Mit Crop-Faktor in einer kleinen Einzimmer-Wohnung stellte es mich gerne mal vor unlösbare Aufgaben.
Heute kommt es abwechselnd mit den ersten zwei Kandidaten in schöner Regelmäßigkeit zum Einsatz und das nicht nur für Makroaufnahmen.
Ich hoffe dieser kleine Exkurs hat euch etwas weitergeholfen und ihr seid bei der Objektivsuche nun selbstbewusster in dem, was ihr braucht.
Das könnte für dich auch interessant sein:
Info & Transparenz | Mit *Sternchen gekennzeichnete Links sind sogenannte Affiliate-Links! Bestellungen, die ihr über diesen Link tätigt unterstützen mich mit einer kleinen Provision, für die Arbeit an diesem Blog. Euch kostet dies selbstverständlich keinen Cent mehr und ich sehe es als Dankeschön für die Wertschätzung meiner Arbeit. Ich empfehle stets nur Produkte oder Dienstleistungen, die ich selber nutze und von denen ich vollstens überzeugt bin.